Merkblatt: Geschäftsführer einer australischen Gesellschaft

Aktualisiert im Oktober 2022

Dieses Merkblatt behandelt die wichtigsten rechtlichen Pflichten eines/r GeschäftsführerIn (director) einer australischen Gesellschaft.

Für Verstöße gegen diese Pflichten und den daraus resultierenden Schäden, kann ein/e GeschäftsführerIn unter Umständen persönlich haftbar gemacht werden.

Für Informationen in Bezug auf eine Unternehmensgründung in Australien, beachten Sie bitte auch unser Merkblatt: Unternehmensgründung in Australien.

Bestellung der Geschäftsführung

Die Geschäftsführerung bzw. der Vorstand (board of directors) ist das gesetzliche Organ einer australischen Gesellschaft. Sie führt die Geschäfte und vertritt die Gesellschaft nach außen. In Australien kann grundsätzlich jede volljährige Person GeschäftsführerIn einer Gesellschaft werden. Es ist nicht erforderlich, dass jede/r GeschäftsführerIn den Wohnsitz in Australien hat, solange die Gesellschaft zumindest eine/n lokale/n GeschäftsführerIn vor Ort hat, der/die den inländischen Behörden als AnsprechpartnerIn dienen kann.

Director Identification Number (DIN)

Ende 2021 wurde die sog. Director Identification Number (DIN) eingeführt. Hiernach muss jede Person, die GeschäftsführerIn einer australischen Gesellschaft ist oder werden will, eine DIN beantragen. Das Verfahren dient der Identitätsüberprüfung des Directors. Die DIN ist eine 15-stellige individuelle Nummer, die nur einmal pro Person beantragt werden muss. Dies bedeutet, dass die Nummer dieselbe bleibt, selbst wenn der/die GeschäftsführerIn das Unternehmen wechselt oder zurücktritt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder GeschäftsführerIn wird.

Wichtig ist, dass die Beantragung der DIN in der persönlichen Verantwortlichkeit der jeweiligen Person liegt und keine Pflicht der Gesellschaft ist. Sollte die DIN nicht rechtzeitig beantragt werden, stellt dies eine Straftat in Australien dar. Die Strafen hierfür können bis zu $1.1 Millionen betragen.

Der Zeitpunkt, wann die DIN beantragt werden muss, hängt vom Zeitpunkt der Ernennung des/der jeweiligen GeschäftsführerIn ab. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem die Person zum ersten Mal in die Geschäftsführung einer australischen Gesellschaft berufen wurde, soweit die Person diese Position weiterhin innehat.

Zeitpunkt der Ernennung deszur Geschäftsführungers
Deadline für die Beantragung der DIN
am oder vor dem 31. Oktober 2021 30. November 2022
Zwischen dem 1. November 2021 und dem 4. April 2022 innerhalb von 28 Tagen ab Ernennung
Am oder nach dem 5. April 2022 vor Ernennung

 
Der Prozess für die Beantragung der DIN kann bei GeschäftsführerInnen, die ihren Wohnsitz außerhalb Australiens haben, recht bürokratisch und langatmig sein und mehrere Wochen und bis zu mehrere Monate in Anspruch nehmen. Wir empfehlen daher, diesen Prozess rechtzeitig zu starten. Weitere Informationen können auf der Website der zuständigen Behörde (ABRS) gefunden werden. Alternativ wenden Sie sich gern an unten stehende Kontakte bei Hall & Wilcox.

Niederlegung des Amtes als GeschäftsführerIn

Wenn keine speziellen Umstände vorliegen, kann ein/e GeschäftsführerIn zu jederzeit das Amt niederlegen, indem die Gesellschaft darüber schriftlich in Kenntnis gesetzt wird.

Pflichten gegenüber der Gesellschaft

Ein/e GeschäftsführerIn hat für einen reibungslosen, effizienten und gewinnorientierten Betriebsablauf zu sorgen. Hierbei hat er die Sorgfalt eines „ordentlichen Geschäftsmannes“ anzuwenden.

Bei einer Pflichtverletzung kommt eine persönliche Haftung gegenüber der Gesellschaft bzw. gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft in Betracht und es drohen empfindliche zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen.

Die Geschäftsführung einer australischen Gesellschaft unterliegt der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft. Sie ist verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu wahren, sie nicht durch schädigendes Verhalten zu beeinträchtigen und ihr Amt nicht aus eigennützigen Gründen und zum Nachteil der Gesellschaft zu missbrauchen. Unter Letzterem ist vor allem die unberechtigte persönliche Bereicherung oder die Bereicherung Dritter aus Gesellschaftsmitteln zu verstehen.

Des Weiteren besteht für die GeschäftsführerInnen während ihrer Amtszeit ein Wettbewerbsverbot. Ein/e GeschäftsführerIn darf folglich keine eigenen Geschäfte ausüben, mit denen er/sie in Konkurrenz zu den Geschäften der Gesellschaft tritt. Nutzt ein/e GeschäftsführerIn Informationen, die er/sie aufgrund des Amtes erhalten hat, zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil, verstößt er/sie gegen die Treuepflicht.

Dies ist unabhängig davon der Fall, ob der/die GeschäftsführerIn mit Absicht gehandelt hat.

Ein/e GeschäftsführerIn muss persönliche materielle Interessen, die in direkter Verbindung mit dem Amt stehen, offenlegen und sobald er/sie sich eines Interessenkonflikts bewusst wird, umgehend die Gesellschaft darüber informieren.

In letzterem Fall hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob es ausreichend ist, den Konflikt lediglich offen zu legen und sich bezüglich des betreffenden Geschäfts passiv zu verhalten oder ob es gar einer Niederlegung des Amtes bedarf. Inder Regel bietet sich in einem solchen Fall die Beratung durch einen Spezialisten an.

Der Geschäftsführer haftet für Schäden, die der Gesellschaft daraus entstehen, dass er die ihm auferlegten Sorgfaltspflichten missachtet hat.

Der Sorgfaltsmaßstab, der an das Handeln des/der GeschäftsführerIn angelegt wird, ist die Sorgfalt eines „ordentlichen Geschäftsmannes“. Die Anforderungen hängen insofern von Faktoren wie der Größe der Gesellschaft, der persönlichen Erfahrung und der Position und Verantwortung des/der GeschäftsführerIn ab.

Der/die GeschäftsführerIn muss sich stets ein genaues Bild über dieLage der Gesellschaft machen und hat sich über alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände zu informieren. Ihm/ihr wird ein unternehmerischer Ermessensspielraum zugebilligt. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken auch die Gefahr von Fehleinschätzungen. Die Geschäftsführung muss aber in jedem Fall den Sachverhalt hinreichend aufklären und alle Risiken gegeneinander abwägen. Es kommt auf den Einzelfall an, ob sich ein Verhalten des/der GeschäftsführerIn noch im Rahmen dieses Ermessensspielraums bewegt.

Ein/e GeschäftsführerIn ist regelmäßig dann nicht wegen einer Verletzung der Sorgfaltspflicht haftbar, wenn er/sie:

  • im guten Glauben und mit legitimen Absichten gehandelt hat,
  • tatsächlich geglaubt hat, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln, oder
  • gehandelt hat, ohne in der Angelegenheit persönliche Interessen verfolgt zu haben.

Für die Zeit seiner/ihrer Tätigkeit hat ein/e GeschäftsführerIn Dritten gegenüber die nachfolgenden Pflichten. Die Verletzung dieser Pflichten kann die persönliche Haftung des/der GeschäftsführerIn nach sich ziehen.

Jede/r GeschäftsführerIn hat die Pflicht, die Gesellschaft vor einer drohenden Insolvenz zu bewahren und sie davon abzuhalten, Verbindlichkeiten einzugehen, während sie zahlungsunfähig ist. Veranlasst oder genehmigt der/die GeschäftsführerIn nach eingetretener Insolvenz der Gesellschaft weiterhin Zahlungen, so haftet der/die GeschäftsführerIn für diese Zahlungen persönlich.

Zudem begehen GeschäftsführerInnen eine Pflichtverletzung, wenn sie eine Verbindlichkeit eingehen, obwohl sie Kenntnis davon oder zumindest guten Grund haben zu glauben, dass es der Gesellschaft nicht möglich ist oder nicht möglich sein wird, diese Verbindlichkeit bei Fälligkeit zu begleichen.

Letzteres wird aus der Sicht einer verantwortungsbewussten Person in der Stellung eines/r GeschäftsführerIn beurteilt. Hätte eine solche von der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Kenntnis erlangt, wird diese Kenntnis dem/der GeschäftsführerIn unterstellt.

Ein/e GeschäftsführerIn haftet nur dann nicht, wenn er/sie beweisen kann, dass der Insolvenzgrund nur vorübergehend war oder dass er/sie gute Gründe hatte, zu glauben, dass die Gesellschaft zahlungsfähig war und dies auch bleiben würde.

Teil der wichtigsten Aufgaben der Geschäftsführung sind die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung. Die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht umfasst u.a. die Aufstellung eines Jahresabschlusses. Der Jahresabschluss einer australischen Gesellschaft, die Tochtergesellschaft einer ausländischen Gesellschaft ist, muss an die zuständige staatliche Behörde übermittelt werden. Unter Umständen können kleinere Gesellschaften von dieser Pflicht ausgenommen sein.

Jede/r GeschäftsführerIn muss sich daher darüber informieren, welche Buchführungs- und Bilanzierungsstandards die spezifische Gesellschaft einhalten muss. Hier ist häufig die Beratung durch Spezialisten zweckdienlich, da bei Pflichtverletzungen Haftungsansprüche gegenüber der Gesellschaft und den GesellschafterInnen entstehen können.

Haftung für fremdes Verschulden

Ein/e GeschäftsführerIn kann unter Umständen auch persönlich für die Handlungen der Gesellschaft veranwortlich gemacht werden, obwohl er/sie selbst nicht an der in Frage stehenden Entscheidung der Gesellschaft beteiligt war. In diesem Kontext spricht man von Haftung für fremdes Verschulden.

Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt, in denen eine solche persönliche Haftung in Betracht kommen kann.

Competition and Consumer Act 2010

Der sog. Competition and Consumer Act 2010 betrifft fast jeden Aspekt des Tagesgeschäfts einer Gesellschaft und reguliert Bereiche wie die Produkthaftung, den Verbraucherschutz und den freien Wettbewerb.

Abhängig von den Umständen, unter denen eine Gesellschaft einer Bestimmung dieses Gesetzes zuwiderhandelt, kann der/die GeschäftsführerIn der Gesellschaft persönlich haftbar sein. Als Strafen für Verstöße kommen Geldstrafen in Millionenhöhe und Freiheitsstrafen in Betracht.

Berufsbezogene Gesundheits- und Sicherheitsgesetze

Jeder australische Bundesstaat hat berufsbezogene Gesundheits- und Sicherheitsgesetze (WHS Health and Safety Laws - kurz WHS). Die Hauptverpflichtung ist die Einhaltung von gewissen Mindeststandards in den Bereichen Sicherheit und Gesundheit. Verstöße gegen die geltenden Gesundheits- und Sicherheitsstandards ziehen empfindliche Strafen nach sich.

In einigen Bundesstaaten werden die GeschäftsführerInnen persönlich für einen Verstoß hiergegen haftbar gemacht, wenn es ihnen nicht möglich ist, das Gericht davon zu überzeugen, dass sie das relevante Verhalten nicht beeinflussen konnten und die Gesellschaft und ihre GeschäftsführerInnen die gebotene Sorgfalt haben walten lassen, um den Gesetzesverstoß durch die Gesellschaft zu vermeiden.

Umweltschutz

Jeder australische Bundesstaat hat eigene Umweltschutzgesetze . Schwere Verstöße, wie z.B. das Abladen von Müll ohne die dafür notwendige gesetzliche Erlaubnis oder das Auslaufen einer schädlichen Substanz, können Geldstrafen in Millionenhöhe nach sich ziehen.

Bei einem Verstoß der Gesellschaft können die GeschäftsführerInnen wegen Beihilfe, Anstiftung, Teilnahme oder Verabredung zur Begehung dieses Verstoßes angeklagt werden. Derartige Vergehen können hohe Geldstrafen und/oder bis zu mehrere Jahre Freiheitsstrafe nach sich ziehen.

Grundsätzlich wird es als Straftat geahndet, wenn wissentlich oder fahrlässig geltende Visabestimmungen nicht eingehalten werden. Bei Verstößen gegen die geltenden Gesetze (vor allem den Migration Act 1958 (Cth)) drohen empfindliche Strafen. Dies gilt auch für die Geschäftsführung eines Unternehmens, das Arbeitnehmer ohne gültiges oder passendes Visum beschäftigt. Aus diesem Grund sollte ein/e GeschäftsführerIn unbedingt sicherstellen, dass die Angestellten des Unternehmens über gültige Visa verfügen.

Steuerwesen

Das australische Finanzamt (Australian Taxation Office) hält sich bei Unregelmäßigkeiten der Steuerzahlungen zunächst an die Gesellschaft selbst. Werden steuerrechtliche Pflichten jedoch vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, hat die Geschäftsführung selbst für die dadurch ausstehenden Beträge einzustehen.

Wenn die Gesellschaft beispielsweise ihrer Verpflichtung nicht nachkommt, Steuerteilzahlungen an das Finanzamt zu entrichten, können die GeschäftsführerInnen persönlich für einen Teil der ausstehenden Steuerschuld haftbar gemacht werden. Im Normalfall gibt das Finanzamt den GeschäftsführerInnen 14 Tage Zeit, um sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Die GeschäftsführerInnen müssen nur dann nicht persönlich haften, wenn sie beweisen können, dass sie nicht wissentlich in die Handlung oder Unterlassung involviert waren, d.h. weder dazu angestiftet, noch dabei geholfen haben.Eine persönliche Haftung lässt sich vermeiden, indem der/die GeschäftsführerIn:

  • die Gesellschaft anweist, die Steuerschuld zu begleichen,
  • eine Zahlungsverpflichtung in Höhe der Steuerschuld eingeht,
  • eine/n unabhängige/n VermögensverwalterIn in die Gesellschaft einsetzt, oder
  • die Gesellschaft von einem/r InsolvenzverwalterIn abwickeln lässt.

Einzahlung in den Rentenfonds

In Australien muss jede/r ArbeitgeberIn einen Mindestanteil in den Rententenfonds jedes/r Angestellten quartalsmäßig einzahlen (sog. superannuation). Sollte der/die ArbeitgeberIn nicht den Mindestbeitrag eingezahlt haben, kann dies Zusatzzahlungen nach sich ziehen (sog. superannuation guarantee charge).

Als Director einer arbeitgebenden Gesellschaft können diese mitunter persönlich für diese Zahlungen haftbar gemacht werden.

Praktische Tipps für GeschäftsführerInnen zur persönlichen Haftungsbegrenzung

GeschäftsführerInnen sollten versuchen, ihre persönliche Haftbarmachung durch Einhalten der folgenden Punkte weitestgehend zu limitieren:

  • sich regelmäßig über die Gesetzgebung hinsichtlich der Rechte und Pflichten einer Gesellschaft und ihrer GeschäftsführerInnen informieren;
  • sicherstellen, dass gesellschaftsintern die Gesetzeslage bekannt ist und befolgt wird, um das Risiko der Gesellschaft und ihrer GeschäftsführerInnen zu minimieren, wegen eines Verstoßes haftbar gemacht zu werden;
  • zur Abdeckung der Risiken, die aus der persönlichen Haftung der GeschäftsführerInnen resultieren, eine sog. D&O-Versicherung (directors and officers liability insurance) in Betracht ziehen (da es grundsätzlich nicht möglich ist, eine Privatperson gegen strafrechtliche Verstöße zu versichern, ist die Versicherungsabdeckung der D&O nicht unbegrenzt und deckt einige Handlungen des/der GeschäftsführerIn nicht ab, z.B. vorsätzliche Pflichtverstöße zum Nachteil der eigenen Gesellschaft); und
  • sich von allen eventuellen Verlusten gegenüber der Gesellschaft freistellen lassen, die in Ausübung des Amtes entstehen können. Eine solche Freistellung kann bereits im Gesellschaftsvertrag verankert oder in Form einer Freistellungsurkunde geregelt werden.

Sollten Sie als GeschäftsführerIn einer australischen Gesellschaft (zukünftig) agieren, verfügt Hall and Wilcox über Ansprechpartner, die Sie bei allen Fragen, die in diesem Zusammenhang auftreten, umfassend beraten können.

In diesem Fall kontaktieren Sie bitte unseren deutschsprachigen Partner Oliver Jankowsky.


Hinweis: Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts sowie für zwischenzeitliche Änderungen der Rechtslage übernimmt Hall & Wilcox keine Gewähr.

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Oliver Jankowsky

Oliver Jankowsky

Partner & Head of International Practice

Oliver is a corporate and commercial lawyer, with particular expertise in advising foreign clients on cross-border transactions.

Dr Wolfgang Babeck

Dr Wolfgang Babeck has over 20 years’ experience as a corporate & commercial lawyer. He co-heads our European desk.

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